Die Übergabe des Betriebes stellt eine der größten Herausforderungen im Leben einer Landwirtin / eines Landwirts dar und wird oft krisenhaft erlebt.
Wie können sich die beteiligten Personen auf diese so bedeutsame Umbruchsituation vorbereiten? Welche Herausforderungen begegnen ihnen im Laufe des Lebens?
Wie können die unterschiedlichen Vorstellungen zu einem Ausgleich gebracht werden?
Die über Generationen als verlässlich und tragfähig erlebte bäuerliche Wertewelt verändert sich. Die Bäuerinnen und Bauern begegnen während der Arbeit zunehmend seltener Berufskollegen, erleben
sich im Wettbewerb um Flächen und Märkte und in der Zusammenarbeit bei Einkauf und Vermarktung.
Wurde in der Vergangenheit häufig das ganze Leben dem Hof untergeordnet, werden heute die Ansprüche an Lebensqualität (Feierabend, Sport, Urlaub) benannt und selbstverständlich eingefordert.
Die sozialen Systeme „Familie“ und „Betrieb“ sind in der Landwirtschaft untrennbar miteinander verwoben, obwohl sie doch im Grunde nichts miteinander zu tun haben.
Während in der Familie Bindungskommunikation vorherrscht, überwiegt im Betrieb Entscheidungskommunikation. In der Familie gilt als Währung „Wertschätzung“, im Betrieb wird mit Geld der Ausgleich
geschaffen. In der Familie folgt man der Logik der Gleichheit nach der jeder das bekommt, was er braucht. Im Betrieb zählt die Leistung in der Logik der Ungleichheit. Diese ganz unterschiedlichen
Denkweisen führen leicht zu Widersprüchlichkeiten (Paradoxien). Sie sind häufig Ursache für Konflikte.
In meinem Vortrag stelle ich das anhand der Folien zum Drei-Kreise-Modell nach Tagiuri und Davis und mit der Beschreibung der unterschiedlichen Logiken von Arist von Schlippe vor.
Aus der Perspektive der Organisationstheorie unterscheidet der Familien- und Unternehmenskreislauf fünf Phasen der Organisationsentwicklung: Gründung – Aufbau – Stabilisierung – Abbau und
Auslauf-Phase.
Zur Beschreibung persönlicher Umbruchsituationen orientiere ich mich am Modell der Sieben Phasen der Veränderung nach Richard K. Streich wie sie in der Grafik meiner Präsentation dargestellt
sind. Diese Phasen beschreiben die häufigste Reihenfolge bei Veränderungen, ganz gleich ob wir sie in unserem Leben als klein oder groß bewerten.
Daran anschließend beziehe ich mich auf die Arbeit des Wittener Instituts für Familienunternehmen, die Nachfolge in neun Phasen zu beschreiben.
(1) Die Frage der Nachfolge stellt sich, häufig unbewusst, schon mit der Geburt der Kinder.
In den ersten Lebensjahren geht es darum, den Kindern ein Aufwachsen zu ermöglichen, die weder die Nachfolge fixiert noch völlig ausschließt. (2) Diese Unsicherheit in der
Nachfolge läuft der Wahl der Ausbildung voraus. (3) Gibt es Ausbildungskriterien und möglicherweise verschiedene Einstiegsszenarien, die klar kommuniziert werden können,
erleichtert das den Umgang mit dem Thema.
(4) Die Betriebsleitergeneration hat dann die Aufgabe, das Unternehmen auf die Nachfolge vorzubereiten. Welche strategischen und unternehmerischen Entscheidungen müssen noch
getroffen werden, welche können der Nachfolgegenration überlassen werden. (5) Hilfreich sind Strukturen und Kriterien für die Auswahl der Nachfolger, die die Entscheidung nicht
allein in der Familie belassen. (6) Beim Einstieg in das Unternehmen sollten lange Erprobungs- und Lernphasen („Ewiger Junior“) vermieden werden. (7) Beim
Verantwortungsübergang ist es Aufgabe der Übergebergeneration nach Außen deutlich zu machen, dass Entscheidungen gemeinsam abgestimmt und mitgetragen werden, gerade wenn die Nachfolger vieles
anders machen. (8+9) Verantwortungsübergang an die Nachfolger und Ausstieg der Übergebergeneration sollte in einem bewusst vollzogenen Prozess gestaltet werden. Die Aufgabe das
private Leben neu zu gestalten stellt für viele Übergebende eine große Herausforderung dar und lässt sich nicht von heute auf morgen vollziehen.
Die Nachfolge ist eine der größten Herausforderungen für jedes Familienunternehmen – selbstverständlich auch in landwirtschaftlichen Familienbetrieben.
Das Beziehungsgeschehen in einer Familie ereignet sich, weil man in eine Familie hineingeboren wurde, aufwächst und die Regeln dieser Familie kennengelernt und eingeübt hat.
Vermeintlich Selbstverständliches miteinander zu besprechen, im Kreis der Familie, im Kreis von vertrauten Personen und auch mit externen Dienstleistern (Beratung, Coaching, Supervision) ist eine
gute Grundlage für die Reflektion. Wenn z.B. Familienangehörige durch eine Partnerschaft neu in eine Familie kommen, dann ist es ausgesprochen hilfreich, die Veränderungen ebenso aktiv zu
besprechen wie die Analyse und Entwicklung des Betriebes.
Letztlich geht es immer darum Bewusstheit herzustellen für die unterschiedlichen Denkweisen und Kommunikationsebenen.
Eine zuversichtliche Grundhaltung hilft eine gute Analyse durchzuführen und eine individuelle Strategie zu entwickeln.
Ich bin überzeugt davon, dass jeder Betriebsleiter, jede Betriebsleiterin die je eigene Antwort finden wird auf die Fragen: Welche Strategie passt zu meinen Zielen (Wollen), meinen Fähigkeiten
(Können) und meinen Möglichkeiten (Dürfen)?