Sie stehen in Ihrer Kirchengemeinde, in der Kirchenverwaltung oder als Kirchenpolitik vor komplexen Entscheidungen oder polarisierenden Fragen?
Sie möchten ein kontroverses Thema ansprechen und einen Dialog gestalten?
So kann es gelingen!
Die Fachstelle "Kirche im ländlichen Raum" hat gemeinsam mit dem Dezernat Liegen-schaften die Broschüre "Evanglisch im Dialog - Kontroverse Themen in der Kirche" herausgegeben.
Am Beispiel der Frage um "Glyphosat auf Kirchenland?" berichtet das Heft von Erfolgsfaktoren und Schwierigkeiten.
Was hat geholfen? Was war schwierig?
Was ist wichtig?
Das begleitende Leporello fasst die wichtigsten Infos zusammen!
Download:
Broschüre Evangelisch im Dialog - Kontroverse Themen in der Kirche.
Leporello Evangelisch im Dialog - Kontroverse Themen in der Kirche.
Sie sind interessiert an den gedruckten Versionen?
Die können Sie hier per Mail vorbestellen: arbeitswelt@ekkw.de
Am Anfang stand der Antrag einer Kreissynode: Die Landessynode „möge beschließen, dass in zukünftigen Pachtverträgen der EKKW der Einsatz von Glyphosat, untersagt wird“.
Zwischen dem Eingang des Antrages und der Beschlussfassung des Kirchenparlamentes lagen eineinhalb Jahre.
Eine Zeit, in der viel passiert ist und die wichtig war.
Es vollzog sich ein Prozess, der viele Menschen beschäftigt und auch sehr persönlich bewegt hat.
Dieser Prozess berührt verschiedene Dimensionen.
Da ist zunächst die Sachdimension:
Die Komplexität des wissenschaftlichen Sachstandes in Bezug auf den Wirkstoff Glyphosat ist hoch. Der Wirkstoff selbst ist wiederum nur ein kleiner Baustein von vielen.
In der Fachstelle Kirche im ländlichen Raum verschafften wir uns einen Überblick über die Fachdebatte. Es wurden Interviews und Fachgespräche mit Professor*innen, praktischen Landwirt*innen, Verbandsvertreter*innen u.a. geführt.
Diese, verbunden mit den Schritten „sichten, einordnen und bewerten“ waren Grundlage für ein Informationspapier, das den Landessynodalen vorgelegt wurde und dessen Inhalte den folgenden Dialogprozess fachlich begleitet haben.
In einer Vielzahl von persönlichen Gesprächen, Telefonaten und Mails wurde allerdings auch sehr schnell deutlich, dass der Antrag weit über die Sachfrage „Glyphosateinsatz ja oder nein“ hinausgeht.
Es geht an vielen Stellen um Beziehung.
Die Beziehungsdimension betrifft sowohl das Selbstverständnis als „Kirche“, wie das Verhältnis „der Kirche“ zu den unmittelbar betroffenen Menschen, zur Öffentlichkeit und das
Verhältnis zur Mitschöpfung.
Die unmittelbar Betroffenen sind zunächst die Pächter*innen von Kirchenland, die Kirchenvorsteher*innen, und die Mitarbeiter*innen der Kirchkreisämter.
Als persönlich Betroffene erleben sich aber fast alle Bauern und Bäuerinnen.
Für sie geht es um die grundsätzliche Frage des Verhältnisses zu „ihrer Kirche“ (deren Mitglieder sie ja zum größten Teil sind). Sie fragen sich: Was herrscht vor? Misstrauen oder Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit, die sie im Rahmen des gesetzlichen Rahmens ausüben?
Aber auch für viele andere Menschen aus Kirche und Gesellschaft insgesamt geht es um viel. Und oft genug um Grundsätzliches.
Menschen, die sich – wie viele Landwirt*innen auch – große Sorgen um die Bewahrung der Schöpfung machen und die den gegebenen gesetzlichen Rahmen der Glyphosatzulassung in Frage stellen. Zumindest auf Kirchenland wollen sie strengere Richtlinien und damit auch ein Zeichen setzen.
Das Thema Glyphosat polarisiert - wie auch andere Themen in unserer Gesellschaft.
Wir haben Wege gesucht, damit umzugehen.
So haben wir im Auftrag des Rates der Landeskirche das offene Gespräch gesucht.
Die Pröpst*innen haben zu drei Dialogforen bzw. Hearing-Veranstaltungen in den Sprengeln eingeladen.
Diese Veranstaltungen wurden von mehr als 250 Menschen besucht.
Das Ziel und die Haltung war, der Position des Anderen aufmerksam zuzuhören und ihn mit seinen Erfahrungen und Ängsten ernst zu nehmen.
Das allein ist schon ein Wert an sich und zu diesem Thema erstmalig in den Gliedkirchen der EKD.
Diese Haltung berührt eine Wertedimension.
Sie ist Teil einer ganz persönlichen, wie gemeinschaftlichen Auseinandersetzung mit Werten.
Das sich vergewissern der eigenen Werte, dessen was jedem und jeder ganz persönlich wirklich wichtig ist.
Dazu gehört auch, wahrzunehmen was ist und zu akzeptieren, dass es Zielkonflikte gibt und einer Güterabwägung bedarf.
Ich habe die Freiheit aus einer Entweder-Oder-Entscheidung heraus zu treten.
Ich kann darüberhinausgehende Wege wählen und aus alternativen Möglichkeiten auswählen.
Im vorliegenden Prozess stellte sich die Frage:
Wie führen wir den Diskurs über unsere Werte und wie wollen wir welche Werte leben?
Letztlich geht es um die Frage des Selbstverständnisses, der Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit von Kirche.
Dabei nimmt sie gerade bei strittigen Fragen häufig verschiedene Rollen ein, die alle wichtig sind und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen.
Im Vorwort des EKD Impulspapier zur Nachhaltigkeit schreibt der Ratsvorsitzende: „Wir wollen als Kirche Mahner, Mittler und Motor sein für eine nachhaltige Entwicklung. Wir wollen zur Umkehr mahnen, wir wollen in gesellschaftlichen Zielkonflikten vermitteln und um faire Lösungen ringen. Und wir wollen selbst in unserer kirchlichen Praxis noch nachhaltiger und glaubwürdiger werden“ (EKD Text 130, S. 7).
Dieser anspruchsvolle Balanceakt wurde in der beschriebenen Fragestellung mit dem Beschreiten eines umfangreichen Prozesses über mehr als ein Jahr gewagt.
Der Dialogprozess wurde mit intensiven Beratungen, in Gesprächsgruppen und im Plenum, im Rahmen der Tagung der Landessynode am 27.11.2019 fortgesetzt.
Mit der darauffolgenden Abstimmung wurde es dann konkret. Die Synodalen erarbeiteten und formulierten einen ausdifferenzierten Antrag und setzten damit Zeichen. Sowohl im Hinblick auf den Wirkstoff Glyphosat, als auch gegenüber Landwirtinnen und Landwirten. Damit positionierten sie sich und vollzogen einen wesentlichen Schritt in Bezug auf eine vierte Ebene: die Handlungsdimension.
Konkret nimmt der Beschluss das ursprüngliche Anliegen des Verbotes von Glyphosat mit einer Selbstverpflichtung auf. Auf selbstbewirtschafteten kirchlichen Flächen soll künftig kein Glyphosat mehr eingesetzt werden. Die Landessynode betont darüber hinaus ihren Respekt gegenüber den Landwirt*innen und deren Verantwortung für die Bewirtschaftung der Böden. Ihnen gegenüber spricht sie kein Verbot, sondern eine Empfehlung zum Glyphosatverzicht aus. Weiterhin soll der begonnene Dialog fortgesetzt werden. Die Synodalen verpflichteten sich Themen rund um das Klima, die Bewahrung der Schöpfung und des Handels innerkirchlich, wie im Miteinander verschiedener Akteure intensiv weiter zu bearbeiten.
Die Landessynode setzt mit ihrem Beschluss einen Doppelpunkt: der konstruktive und streitbare Dialog von und mit Menschen aus Kirche und Landwirtschaft wird weitergeführt. Es gibt viele gemeinsame Themen und Schnittmengen.
Rückblickend hat es sich als sehr gut erwiesen den vier Dimensionen: Sache, Beziehung, Werte und Handlung/Positionierung gleichermaßen Beachtung und Zeit zu geben. Ebenso wichtig sind die Transparenz des Prozesses und seine Dokumentation. Die gewählte Vorgehensweise kann exemplarisch auch für andere strittige Fragen zielführend sein.
Ute Göpel
Downloads und Links:
Alle Downloads und Links zum Thema Glyphosat auf Kirchenland und dem Prozess in der EKKW gibt es hier.
Vielfältige Beziehungen:
Kirche und Landwirtschaft
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